Der nachhaltigste Konsum ist der Kaufverzicht – und noch kostenfrei dazu. Auch secondhand zu kaufen, ist nachhaltig, da es die Produkte bereits gibt. Auch hierbei spart man im Vergleich zum Kauf von Neuware. Nachhaltige Mode ist also vor allem beim Kauf von Neuware teurer. Produkte aus nachhaltigerer Produktion kosten mehr als Produkte aus einer Produktion, bei der kein Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt wurde – wir sprechen von „klassischer“ Produktion und nachhaltiger Produktion. Wo aber kommt der Aufpreis her? Hierbei spielen verschiedene Dimensionen der Nachhaltigkeit eine Rolle: die Arbeit mit Rohstoffen und Materialien, die ökologischer und leichter zu recyceln sind und auch faire Produktionsbedingungen, was Löhne an verschiedenen Stellen der Lieferkette betrifft.
Oftmals wird an dieser Stelle argumentiert, dass nicht nur die Kosten für das Produkt berücksichtigt werden dürfen, sondern auch die Art und Weise der Produktion: der Materialverbrauch und die Verschmutzung von Allgemeingütern wie Wasser und Luft.
Dieses Hinterfragen des Herstellungsprozesses geht vielen Konsumentinnen und Konsumenten zu weit, wollen sie doch beispielsweise nur einen Pullover kaufen. Wählen wir eine andere Perspektive: Nicht die Kosten der Anschaffung, also der Kaufpreis, sondern die Kosten des Pullovers je Tragen sind der Maßstab. Wenn also ein teurerer Pullover häufiger getragen wird, kann er am Ende pro Tragen günstiger sein als ein günstiger Pullover, der kaum getragen wurde.
Das muss aber in der Praxis nicht zutreffen: Laut einer IFH-Befragung vom Frühjahr 2024 tragen Menschen, die einen Pullover aus einer „klassischen“ Produktion gekauft haben, diesen länger. Entsprechend dieser Erhebung sind dann die Kosten pro Tragen bei nachhaltigerer Ware nicht günstiger als bei Ware aus „klassischer“ Produktion.
Allerdings bezieht sich die Tragehäufigkeit nur auf das eigene Tragen. Was passiert danach? Menschen, die nachhaltiger kaufen, geben die Produkte häufiger weiter und erhalten auch mehr Geld bei Weiterverkäufen. Dies verlängert nicht nur den Lebenszyklus des Produktes, sondern mindert auch den ursprünglich gezahlten Kaufpreis für das Produkt – und zwar so stark, dass das nachhaltigere Produkt günstiger als das „klassische“ wird. Es kommt somit mal wieder auf die Perspektive an.
Die Gefahr bei solchen Vergleichen ist immer, dass
Schubladendenken unterstützt wird. Die Guten, die nachhaltig kaufen, die
Schlechten, die es nicht tun. Zum einen sind die Gründe für das
(Kauf-)Verhalten meist nicht offensichtlich und nicht klar, in welcher Phase sich
Konsumentinnen und Konsumenten auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit befinden.
Zum anderen sind ein Drittel der Konsumentinnen und Konsumenten „Mischtypen“,
das heißt sie kaufen sowohl „klassisch“ als auch nachhaltig bzw. secondhand. Für
Marktforschungsanalysen werden die Käufergruppen oft streng getrennt betrachtet,
in der Realität sehen wir aber fließende Übergänge und viel Dynamik. Genauso
sollte nachhaltigere Ware auch nicht ausschließlich am Kaufpreis beurteilt
werden. Schließlich unterscheidet sich der Nutzungsrahmen deutlich von
Produkten aus „klassischer“ Produktion.
Für jeden und jede gilt es also Offenheit zu bewahren und Vorurteile über Bord zu werfen – sowohl in Bezug auf die Produkte als auch hinsichtlich ihrer Mitmenschen. Für Händlerinnen und Händler dagegen heißt es, sich auch in Bezug des nachhaltigen Kaufverhaltens tiefgehend mit ihrer Kundschaft auseinanderzusetzen, um die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe richtig zu verstehen und die Angebote entsprechend abzustimmen bzw. die passenden Argumente rund um Nachhaltigkeit zu nutzen. Untermauert wird hiermit, wie vielversprechend der Ansatz ist, neben Neuware auch Secondhand-Produkte ins Sortiment aufnehmen, was nach den Onlinern wie Zalando und AboutYou mittlerweile auch im stationären Handel im großen Stil Einzug hält.